
Heute muss ich mal etwas aus einem aktuellen Anlass schreiben. Kürzlich sprach ich mit einer Führungskraft und diese erklärte mir, dass sie seit CORONA ihre Mitarbeiter tüchtig auf Trab halten würde, damit sie nicht auf falsche Gedanken kämen. Erst Kurzarbeit, dann Homeoffice, und Arbeiten ohne den Atem des Vorgesetzen im Nacken, das könne ja nur schief gehen. Sie sagte, man hätte die Auswirkungen des Schlendrians bereits gespürt und sie habe nochmals nachgelegt. Die Arbeitsleistung sei abgesunken und trotzdem wäre die Unzufriedenheit in letzter Zeit spürbar gewachsen. Ich wurde um Bestätigung gebeten, ob ich es auch so sehen würde. Sollten die Mitarbeiter noch mehr „auf Trab gebracht“ werden? Finden wir es doch gemeinsam heraus…
Ansprechen…
Ich habe den Sachverhalt oben arg verkürzt dargestellt und möchte ihn hier daher etwas ausführlicher darlegen. Viele der Mitarbeiter besagter Führungskraft befanden sich, nach langer Zeit Kurzarbeit, noch immer häufig im Homeoffice. Gerade für Organisationmodelle, die damit nicht vertraut waren, ist das oft bis heute keine leichte Situation. Die Führungskraft war vor der Pandemie gewohnt, ihre Mitarbeiter nahezu täglich zu sehen.
Corona hat hier alles verändert. Besagte Führungskraft selbst hat die ganze Zeit im Büro gearbeitet, aber die Mitarbeiter waren nicht mehr vor Ort. Sie waren nicht mehr, jeden Tag greifbar und visuell überprüfbar. Dadurch schrumpften die augenscheinlich wahrzunehmenden Aufgaben der Führungskraft.
Zudem hatte sich die Bearbeitungszeit für Vorgänge noch verlängert.
Aus diesem Grund hatte sich die Führungskraft ein System überlegt, mit dem sie ihre Mitarbeiter auf Trab halten wollte. Sie erzählte mir, sie hätte ihren Mitarbeitern aufgetragen, sich bei Arbeitsbeginn telefonisch Anzumelden und bei Arbeitsende auf gleichem Wege abzumelden. Zwischendurch erfolgten Kontrollanrufe der Führungskraft, um zu überprüfen, ob die Mitarbeiter tatsächlich arbeiten würden. Zudem hätte sie jede zu delegierende Aufgabe nicht nur an einen Mitarbeiter übermittelt, sondern gleich an mehrere. Das beste Ergebnis hätte sie dann verwendet. Natürlich übermittelte sie die Aufgaben nur an solche Mitarbeiter mehrfach, die sich im Homeoffice befanden. Denn diese sollten sich ja nicht absprechen. Außerdem hätte sie die Aufgaben so verteilt, dass Mitarbeiter, die etwas nicht so gut konnten, nun diese Aufgaben übertragen bekommen hätten. Schließlich hatten sie so die Gelegenheit, sich mal richtig einzuarbeiten. [Da ich diesen Beitrag nicht zu umfassend gestalten möchte, breche ich an dieser Stelle den Maßnahmenkatalog ab.]
Nach zwei Jahren mit Corona und den entsprechenden Einschränkungen, der Durchführung der oben geschilderten Maßnahmen und nahezu keiner Änderungen nach der Aufhebung der Corona-Beschränkungen sieht die aktuelle Situation wie folgt aus. Die Mitarbeiter, kommunizieren gegenüber ihrer Führungskraft an den Tagen, an denen sie im Büro sind ihren Unmut. Sie sind spürbar unzufrieden. Einige haben gekündigt, andere scheinen auf dem Weg der inneren Kündigung zu sein. Die Arbeitsleistung ist verringert, Tendenz weiter sinkend. Dieser Entwicklung möchte besagte Führungskraft entgegenwirken, indem die Kontrollmechanismen nochmals verschärft werden. Die viele Freizeit (die Führungskraft meinte damit das Homeoffice) würde den Mitarbeitern zu Kopfe steigen. Schließlich hätte die Führungskraft ja die Verantwortung gegenüber der Geschäftsleitung, dass das Geld, das die Mitarbeiter jeden Monat kosten, auch durch eine Arbeitsleistung durch den Mitarbeiter gerechtfertigt werden müsse.
Aber ist das der richtige Weg?
Beurteilen…
Für die Führungskraft ist die Situation noch immer ungewohnt. Die Mitarbeiter haben sich jedoch weitgehend mit der Situation arrangiert und sich ihr angepasst. Einige sehen sogar eine Win-Win-Situation im Homeoffice. Ihr ursprünglicher Tagesablauf ist zwar vollkommen verändert und die zunehmende generell spürbare Unzufriedenheit schürt Zukunftssorgen. Wird der Arbeitsplatz erhalten bleiben? Die Preissteigerungen in den vergangenen Jahren haben die Situation zwischenzeitlich nicht besser gemacht. Es ist also eine Frage, die jedem den Schlaf rauben kann. Aber die durch das Homeoffice grundsätzlich ermöglichte Balance zwischen Arbeit und Privatleben gleicht einiges wieder aus.
In dieser Situation verunsichert besagte Führungskraft ihre Mitarbeiter durch ihre Maßnahmen. Das telefonische An- und Abmelden kombiniert mit den zufallsgenerierten Kontrollanrufen kommuniziert den Mitarbeitern mangelndes Vertrauen. Zudem führt die Maßnahme, Aufträge mehrfach bearbeiten zu lassen über kurz oder lang dazu, dass sich die Mitarbeiter nicht mehr ernstgenommen fühlen. Die Tatsache, dass dies offenbar auch noch im Verborgenen stattfinden soll, indem nur Mitarbeiter im Homeoffice davon betroffen sind, verschärft die emotionale Situation zusätzlich. Denn gerade, wenn ich Aufgaben so verteile, dass ausgerechnet diejenigen sie bekommen, die in der Abarbeitung nicht so geübt sind, ist es nur folgerichtig, wenn der jeweilige Mitarbeiter mal zum Hörer greift, und genau den Kollegen anruft, der als erste Wahl für solche Aufgaben gilt. Bekommt dieser am selben Tag mehrere Anrufe zur selben Fragestellung, fliegt ein derartiger Schachzug schnell auf. Der Vorgesetzte wird als unehrlich wahrgenommen. Zusätzlich ist es nur natürlich, wenn ungeübte Mitarbeiter für eine Vorgang länger brauchen, als geübte.
Folgern…
Ich sage es hier einfach mal ganz deutlich, ebenso wie in besagtem Gespräch. Nein, ich halte diese Maßnahmen weder für sinnvoll, noch für die Maßnahmen einer Führungskraft.
- Ich möchte meine Mitarbeiter, die nicht direkt durch mich greifbar sind „kontrollieren“? Dann gebe ich Ihnen Aufgaben mit einem zuvor von mir definierten und in der Umsetzung realisierbaren Abgabetermin und überprüfe die Resultate.
- Ich möchte, dass meine Mitarbeiter beschäftigt sind? Dann suche ich Tätigkeiten, mit denen sie sinnvoll beschäftigt sind. Jedes Unternehmen hat zig Aufgaben, für deren Umsetzung nie die Zeit vorhanden war. Wenn nun die Möglichkeit besteht, diese anzugehen, sollte man die Chance nutzen.
- Meine Mitarbeiter sind unzufrieden? Dann gehe ich auf sie zu und versuche herauszufinden, worin der Ursprung dieser Unzufriedenheit liegt.
- Ich möchte in schwierigen Zeiten vorankommen? Dann verteile ich Aufgaben so, dass sie von der Person wahrgenommen werden, die hierfür die beste Befähigung besitzt.
Gerade schwierige Zeiten zeigen uns, ob wir unseren Aufgaben gewachsen sind. Und wenn wir es zu einem Zeitpunkt nicht sind, dann ist es keine Schanden, sich Hilfe und Anleitung von dritter Seite zu holen. Jeder kann Fehler machen und jeder macht auch Fehler.
Entscheidend ist, wie man damit umgeht. Steht man zu seinen Fehlern, übernimmt die Verantwortung und versucht anschließend für Abhilfe zu sorgen? Lernt man gar aus seinen Fehlern für die Zukunft? Oder schiebt man die Schuld auf andere und stiehlt sich weg?
Falls Sie in Ihrer Funktion als Führungskraft neu sind, oder sie sich in der aktuellen Situation Ihren Aufgaben nicht gewachsen fühlen, holen Sie sich einen Partner, der Sie anleitet, der Sie fordert, aber auch fördert und mit dem Sie Ihre individuelle Situation vertrauensvoll angehen können.